Urlaub mit Kindern? Das bedeutet wahrscheinlich für jede Familie etwas anderes. Ich muss ganz ehrlich sagen, es gab Zeiten, da hätte ich nach dem Kinderurlaub [mit vier kleinen Kindern] erst mal eine Woche Erholung gebraucht :-))) Wenn da nicht schon wieder der Alltag auf mich gewartet hätte.
Packen? Schweißausbruch und/oder Nervenzusammenbruch. Manches Mal hab ich mich schon vor dem Wegfahren gefragt, ob sich das lohnt. … Appartement? Der ganz normale Wahnsinn, manchmal sogar mit ohne Spülmaschine. … Hotel? Kinder vor lauter Aufregung um 5:00 Uhr wach, wie überbrücke ich die Zeit bis zum Hotelfrühstück? … All Inclusive? Kommt eh nicht in Frage.
Bin nur ich so kompliziert? Bin ich eine Urlaubsrabenmutter?
Trotzdem möchte ich unsere Urlaube natürlich nicht missen. Im Laufe der Jahre haben wir viele schöne Orte und Gegenden gefunden, an denen man sich mit und ohne Kinder wohl fühlen kann: Unsere wunderbaren Appartements in den toskanischen Bergen mit Blick aufs Meer, den Naturpark Mürzer Oberland, den Nationalpark Bayerischer Wald… Wer hier schon länger mitliest war ja dabei!
Und vergangene Woche haben wir noch so einen besonderen Ort auf dem Mieminger Plateau in Tirol entdeckt…
Das Hotel Stern in Obsteig.
Ist das ein Wirtshaus mit Gästezimmern, frage ich mich auf der Hinfahrt? Ich hatte die Formulierung irgendwo auf der Internetseite aufgeschnappt. Ein Kinderhotel? Irgendwas stand da auch von Kinderprogramm. Ein Biohotel?
Familien Landhotel STERN steht in dezenten weißen Buchstaben auf der Vorderseite des teils renovierten, teils original erhaltenen Hauses, als wir dort ankommen.
Bullerbü in Tirol – beschreibt die Atmosphäre hier ganz gut. Unser Kleinster fühlt sich am zweiten Tag schon so Zuhause, dass er im ganzen Haus ohne Schuhe unterwegs ist.
Aber es geht hier eben nicht nur um Kinder. Nicht nur darum, dass diese den ganzen Tag bespasst werden, während die Eltern wahlweise „im Spa“ oder „im Call“ sind.
Es geht um das Miteinander. Um einen respektvollen Umgang. Zwischen den Generationen. Zwischen Einheimischen und Tourist*innen. Zwischen uns und unserer Umwelt, der Natur.
Vor einigen Jahren hatte man sich hier auf dem Plateau gegen den Ausbau des Skigebiets und für die Förderung des Sanften Tourismus entschieden. Insbesondere im Hotel Stern hat man sich zum Ziel gesetzt fair, regional, co2-neutral zu wirtschaften. Einen wertschätzenden Umgang mit Einheimischen, „Zuagroasten“, dem Personal und der Gemeinde hat sich René Föger auf die Fahne geschrieben – der Hotelier und selbst Familienvater von vier Kindern.
Und diese Einstellung wird nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern ganz dezent an die Hotelgäste herangetragen. Im ganzen Haus sind viele Info-Tafeln und -Grafiken angebracht. Sie erzählen über den Impact, den bestimmte Einrichtungen haben, welche Gedanken man sich beim Bauen gemacht hat und was man als Gast selbst besser machen kann. Man muss die Leute nicht bekehren, meint René. Und da bin ich ganz seiner Meinung.
Ein Beispiel. Natürlich kann man sich im Hotel jederzeit mit Getränken versorgen. Oder im örtlichen Supermarkt. Nichts desto trotz bekommt man bei der Ankunft eine isolierte Emil Flasche zur Verfügung gestellt, die man während des Aufenthalts durchaus mit allerbestem Tiroler Leitungswasser befüllen kann. (Und das ist wirklich das allerbeste!)
[Wer hat’s gewusst?]
Und trotzdem muss man sicherlich auf nichts verzichten. Im Gegenteil. Bei allem, was hier geboten wird.
Schlicht-schöne Lärchenzimmer, Frühstücksbuffet, Halbpension, Dachterasse, Panoramasauna, Öko-Hallenbad…
Ganz kleine Kinder haben wir ja nicht mehr, aber von allem, was ich gesehen habe, gibt es ein Spielzimmer und eine Spielwiese und ganz entzückende Familienkojen im Öko-Schwimmbad. Junge Eltern profitieren von flexiblen Essenszeiten und Kleinkinderausstattung. Kinderwagen, Kraxe, Anhänger, Babyphone etc. stehen bei Bedarf zur Verfügung, ebenso wie nach Absprache Baby- und Kinderbetreuung.
Etwas größere Kinder dürfen sich auf die Matschecke und die Tretautos freuen, den Spielplatz hinterm Haus, die Spiel- und Kreativangebote im Sternschnuppen Spielzimmer und den Spiel-Heu-Stadl, Kletter- und Toberaum und natürlich das Hallenbad. Vor allem aber auch auf das tägliche Ausmisten und Füttern der Tiere mit Opa Toni und auf das Ponyreiten.
Wir haben ganz kurz die herzliche und voll motivierte Annemarie kennengelernt, die hier jede Woche das Kinder-Betreuungs-und-Kreativ-Programm zusammenstellt, je nach Alter der im Hotel angemeldeten Kinder. Wow. Wenn in den Sommermonaten mehr (Ferien) Kinder zu Besuch sind, überlegt sie sich schon mal ein Naturerlebnis-Programm mit Schnitzen, Seifenkisten oder Baumhaus bauen. Der Waldspielplatz ist nicht weit – mit Balanciersteig und Riesenschaukel und einem Tippie mit Feuerplatz, an dem Stockbrot oder Würschtl gebraten werden. Für die ganz Großen geht es zum Klettern oder Bogenschießen oder auf den Bike-Waldtrail.
Auch den Erwachsenen wird auf dem Plateau bestimmt nicht langweilig. Zu Fuß oder mit dem Fahrrad kann man die Wälder, Wiesen und Berge der Mieminger Kette entdecken. Als Familie, erfahrene Bergfexen oder gemütlich schlendernd. Im Sommer kann man sogar eine Nacht im Heubett oder auf der Alm schlafen.
Elfi – eine gute Seele des Hauses – lädt jede Woche zum „Mundräubern“ ein. Dabei werden gemeinsam essbare Naturschätze gesucht, die dann in ihrem kleinen Stadel verkocht und verkostet werden.
Da dürften eigentlich keine Wünsche mehr offen bleiben, oder?
Doch Elfi meint, (Verbesserungs-) Vorschläge seien immer willkommen. Ob ich Vorschläge habe? Im Zweifel bitte alles so belassen. Bevor zwischen Bad Gastein und Kitzbühel noch eine weitere durchgestylte (und unerschwingliche) Retortenhotelburg entsteht, wünsche ich mir, dass hier – zumindest von der Haltung her – alles so bleibt: eine gute Mischung aus Alt und Neu, aus Familiengeschichte und nachhaltigen Innovationen.
Am Nachmittag unseres letzten Tages sitze ich im Eingangsbereich des Hotels und beobachte das Treiben um mich herum. Und verstehe jetzt, was das hier ist: ein Ort der Begegnung. Einheimische, neuankommende Gäste, eine Frau schwebt im Bademantel vorbei, Familien mit Kindern zwischen Tierfütterung und Abendessen, zwei (einander) Fremde, die sich an der kleinen Hausbar austauschen. „Ausnahmsweise nehm ich noch ein Kleines“, sagt einer von ihnen. Ein Elternpaar bringt ihr Kleinkind ins Bett, ich winke „Gute Nacht!“ und gehe davon aus, dass ich die beiden Großen gleich wieder sehe, sobald der Kleine schläft…
René würde wahrscheinlich sagen, hier kann es jede/r so halten, wie sie/er mag. Sicher, man kann sich mit ihm auch ausführlich über Costumer Relationship Management unterhalten. Letztendlich ist er ein Gastgeber, der schaut, dass es allen gut geht – den Gästen, den Mitarbeitern, der Umwelt… und der offensichtlich das Standing hat, damit auch mal gegen den Strom zu schwimmen.
Wir jedenfalls haben uns rumdum wohl und gut umsorgt gefühlt. Und kommen ganz bestimmt wieder. Vielleicht im Sommer zum Baumhaus bauen und zum Mundräubern…
[NACHTRAG] In der ZDF Mediathek vom Ostersonntag findet Ihr die Sendung „Aufbruch in den Alpen – wenn die Wildnis zurück kehrt“über den Ort Obsteig und das hiesige Tourismuskonzept angesichts des Klimawandels…
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