Vor ein paar Jahren, im Frühling, haben wir auf einem unserer Waldausflüge mit der NATURKINDER-Gruppe einen „verwunschenen Baumstumpf“ entdeckt.
Damals habe ich mir dazu ein Märchen für die „Kleinen“ ausgedacht. Obwohl sie jetzt nicht mehr ganz so klein sind, mögen sie es doch jedes Jahr wieder hören, wenn wir im Frühjahr den ersten Sauerklee sehen.
Wahrscheinlich erzähl ich es jedes Jahr ein bisschen anders, wie das halt so ist bei Märchen, aber sinngemäß geht es so:
Es war einmal eine Prinzessin, die war sehr schön, aber eitel und habgierig. Sie wollte alles haben (am Liebsten immer neue Kleider) aber nichts hergeben. Viele arme Menschen kamen zu ihrem Schloss, um sich ein Almosen zu erbitten, die Prinzessin jedoch wollte niemandem etwas von ihrem Reichtum abgeben.
Eines Tages ging sie durch den Wald, da traf sie kleines Mädchen, das hatte nur ein dünnes Hemdchen an. „Oh, bitte, schöne Prinzessin, schenk mir nur eines von Deinen Kleidern. Du hast so viele und mich friert so sehr.“
„Pah, Dir werd ich ein Kleid geben! Ich hab doch selbst viel zu wenige. Scher Dich fort.“
Im gleichen Moment aber war gerade eine Fee im Wald unterwegs, die hatte alles mitangehört und weil die Prinzessin so böse gewesen war, verwandelte sie sie in einen Baumstumpf und so musste sie Jahr und Tag, bei jedem Wetter an der gleichen Stelle stehen bleiben.
Ihre Freude waren die Vögel, die im Wald sangen, die Tiere, die ab und zu vorbei kamen und der Sauerklee, der jedes Jahr im Frühling auf ihr wuchs und mit der Zeit wurde ihr Herz weich. So weich wie das Moos, das auf ihr zu wachsen begann.
Nach vielen Jahren kam wieder ein kleines Mädchen durch den Wald. Es weint bitterlich. „Komm, ruh Dich ein wenig bei mir im weichen Moos aus und erzähl mir, warum Du weinst“, sagte die Prinzessin, die ein Baumstumpf war. „Ich habe keine Eltern mehr, nichts anzuziehen und kein Zuhause.“ „Alles, was ich Dir geben kann ist mein Trost, mein weiches Moos und die Freude am Sauerklee, der auf mir wächst. Wenn ich noch meine frühere Gestalt hätte, würde ich Dir ein warmes Heim geben und Kleider mehr als Du je brauchen kannst.“
Das hörte die Fee, die (zufällig) wieder im Wald unterwegs war und verwandelte den Baumstumpf wieder in eine Prinzessin zurück, mit einem weißen Kleid, weiß wie Sauerklee.
Die Prinzessin nahm das kleine Mädchen an der Hand und tat wie sie es versprochen hatte. Die beiden lebten von nun an wie Schwestern zusammen im Schloss, glücklich bis an ihr Lebensende. Und wann immer ein armer Mensch an ihre Schlosstür klopfte gaben sie ihm etwas von ihrem Reichtum ab.
Und ich muss auch immer an die verwunschene Prinzessin denken, wenn ich irgendwo Sauerklee sehe, wie er gerade überall wächst…